Montag, 19. August 2019

Tag 3 Liverpool - Chesterfield 5-0-2

Man verlässt Liverpool nicht ohne bei den Beatles vorbeizuschauen. Der Chronist musste sehen, dass er dazwischen kam bei dem Andrang.

The fabulous four


Boris hat scheinbar seinen Blog gelesen und dem Chronisten den Wind abgedreht, wo es doch heute in die andere Richtung so fein gepasst hätte. Fast. Ein wenig säuseln die Blätter. Na, immerhin nicht gegen ihn und von Regen ist so richtig auch nicht die Rede.
Das Hotelfrühstück war dem Chronisten zu teuer und zu langweilig. Er wollte lokal und authentisch frühstücken, mit Bohnen, denn die Kalorien von den Fish and Chips des Vorabends waren in der Nacht aufgebraucht. Aber da ist er nun nicht fündig geworden. Was bei uns jeder Bäcker an jeder Ecke bereithält gibt es hier nicht.
Er war schon fast aus der Stadt, als ihn ein Einkaufszentrum der Marke Obermarktpassage in groß nun nicht wirklich einlud, aber es schien ihm authentischer als McDonald Cafe gleich nebenan, also rein.
Zwischen Pound Bargain und Gamegeschäft fand er dann eine kleine Backfiliale mit Sandwiches, Kaffee und überwiegend älteren Gästen aus der benachbarten Siedlung. Der Chronist hatte Mühe radtechnisch brauchbare Nahrung zu finden, die Sandwiches waren entweder mit Fleisch vollgestopft oder vegan. Er ließ sich einen vorgefertigten drei-Minuten-Toast heißmachen, nahm einen Kaffee und eine eingeschweißte Cinnamonroll.
Als Beilage erhielt er einen politischen Vortrag von seinem älteren Nachbarn, natürlich erst, als er ihn angesprochen hat - siehe weiter unten.
Heute waren die Straßen besser, die Gegend regelrecht wohlhabend. Liverpool und das benachbarte Manchester strahlen in die Landschaft aus.
In einem Kleinstadtzentrum war es dann so schön, dass der Chronist ein paar Minuten verweilte. Der Brunnenplatz verzauberte wunderbar, Blumen ringsum; was ihn aber am meisten annagelte, war „Time to say good-bye", angereichert mit Panflöte - siehe unten.
Zu nörgeln gibt es immer was. Neben „unterirdischen“ Radwegen hat das Land auch eine genauso zu bezeichnende Datengrundlage für die Apps bereitgestellt. Die schlagen damit Trassen vor, da hat mal gerade der Rennradreifen Platz, da passt nicht mal ein Dackel zum Gassigehen drauf. Oder sie führen ganz ins Raff.


Hinter dem oberen Bildrand verjüngt sich die Situation auf einen halben Meter und schließlich klettert man über eine Viehzaunsteighilfe. Wer stellt so etwas als georeferenzierte Polylinie mit dem Attribut Radweg bereit?

Der Chronist musste einmal umkehren und sich mit Google Maps in der Version „Auto“ weiterhelfen: Das Ergebnis waren zehn Kilometer Umweg.



Shrigley Hall: Vier-Sterne Golfhotel im Nirgendwo; der New York Cheesecake tat gut; die Kundschaft war wenig interessant; danach darf es nicht gehen. Der Chronist hat trotzdem niemand angesprochen


Einmal musste er über vergammelte Schleusentore ein andermal sein Rad in die Hand nehmen und am Rande der Unterführung balancieren, sie stand voll Wasser.
Hier hat der Chronist auch wieder einen heißen Tipp für Boris. Sein Land, das ja die Mutter aller Eisenbahnen ist, hat so viele verwunschene Altstrecken mit so vielen kunstvollen Bauwerken. Allein, wenn mal eine hergerichtet ist, weist sie eine höchstens mountainbiketaugliche Oberfläche auf. Meistens schlafen aber diese unzähligen alten Trassen unter Buschwerk einen Dornröschenschlaf. An dem Tag, an dem dich, Boris, die Union wieder -auf eindringliches Bitten hin- aufgenommen hat, gehst du hin, besorgst Dir einen kleinen dreistelligen Millionenbetrag und erweckst ein landesweites Netz alter Eisenbahntrassen als High-end-Radwege zum Leben, versehen mit Asphaltfeinbeton allerbester Güte.
Eine Mischung aus einem fast unendlichen Netz über und durch faszinierende Bauwerke bei alterstauglicher Gradiente. Frag bei den Holländern nach, wie das geht. Dann nämlich kann dein Land das Ziel weltweiter Radpilger werden.


Vielleicht mal etwas weniger Gold an die Fassade, ...

...sondern etwas mehr auf die Straße


Der Chronist ließ den einzigen Regen des Tages in einer Gaststätte an sich abperlen. Vorsichtshalber suchte er in einem Schlachterladen Folie und in einem Secondhandgeschäft Tesafilm, um das Smartphone zu schützen. Der Schlachterladen war so faszinierend neuzeitlich, dass er den Chef vergaß zu fragen. Die Secondhandladnerin war aber dran - siehe unten.
Es kam schließlich ziemliches Relief auf, welches den Chronisten zwang im kleinsten Gang noch zu kreuzen, sonst hätte er absteigen müssen. So bekam er eine Ahnung von dem Begriff Highlands.



Kleine Straßen, hügelige Weiden...
 
...eine Welt kunstvoll eingemauerter Schafe

Über die Straßen konnte man heute nicht allzu sehr meckern. Damit es nicht so nervig klappert, hat der Chronist dennoch seine Teile in der kleinen Rahmentasche einzeln eingewickelt.
Es war heute die längste Etappe bisher. Aber sie kam den Chronisten nicht so quälerisch daher wie gestern. Chesterfield empfing ihn freundlich, fast postkartenmäßig englisch. Und die jungen Leute an der Rezeption ließen ihn an die hauseigene Miele, dass er seinen Radsachen frischen Duft beibringen konnte.



Mike ist ein Brexitschwergewicht. Er sieht sich als vergessene Arbeiterklasse. Angela Möörkel ist sch..., er unterstützt die AFD, Orban ist gut, Salvini ist gut; er ist überzeugt von der Islaminvasion und deren Vergewaltigungen und Morden; er zeigt mir von ihm angefertigte Videos politischer Aktionen. Wir verabschieden uns freundlich. Meine Argumente versteht er, aber sie spielen keine Rolle

Sein Manager macht den Fotografen und ist überzeugt davon, dass der Brexit für sie beide schlecht ist. "Time to say goodbye" kann er ziemlich schön ;-)


Bob begegnet dem Chronisten beim Überqueren des Flusses auf vergammelten Schleusentoren. Weil es so praktischer ist, bleiben beide im Sattel. Er will so schnell wie möglich raus. Von der EU hat nur ein Prozent der Menschen einen Vorteil, die anderen nur Nachteile

Angie gibt dem Chronisten bereitwillig Tesafilm und Auskunft, aber nur: „wenn du das Bild noch schön machst“! Versprochen. Angie hat nichts gegen die EU, will aber für ihr Land die Power zurück


Laraine und Roger. Sie hat in Minden britische Soldatenkinder unterrichtet, er war in Celle stationiert. Aus dieser Zeit stammt seine Vorliebe für Mercedes. Nein, er sei nicht gegen eine Union. Aber so wie sie jetzt ist, ist es eine schlechte Konstruktion. Brüssel braucht eine Erneuerung, London eine stille Revolution. Beide Brexiteers


Übrigens, das Haus im Hintergrund ist ein Landhotel. Der Chronist hat sich hier Wasser geholt. Es war so warm und so verführerisch gemütlich drinnen, dass er am liebsten dageblieben wäre.


 
Freundlich, aufgeschlossen, Elly von der Rezeption will in der EU bleiben


 
Das Ankommerbier im Market von Chesterfield; wer mal hinkommt, ein sehr authentischer Laden mit einer guten Speisekarte. Dieser dritte Versuch von Fish and Chips landet auf Platz zwei



Bilanz

Ohne die wilden Gebüschstrecken wäre noch etwas Ordentliches draus geworden
 Bis Morgen


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